Zur Klarstellung: OCLC selbst bezeichnet den beabsichtigen Service als "cooperative library management service" oder "platform-as-a-service" und spricht die Konkurrenz zu bestehenden Bibliothekssystemen und seine Absichten auf dem Markt für Bibliothekssysteme nicht konkret an. Der Ausdruck "Integrated Library System (ILS)" findet sich in keinem der OCLC-Texte zum Thema. Marshall Breeding macht allerdings in seinem Beitrag für das "Library Journal" deutlich:
"This new project, which OCLC calls 'the first Web-scale, cooperative library management service,' will ultimately bring into WorldCat Local the full complement of functions traditionally performed by a locally installed integrated library system (ILS)."Es ist davon auszugehen, dass die zunächst geförderte Interoperabilität zwischen WorldCat Local und lokalen Bibliotheksystemen nur ein Übergangsstadium ist auf dem Weg zu einer Ablösung der lokalen Systeme durch OCLCs Plattform-Service. Die neue Strategie OCLCs wird also einige Bewegung in die ILS-Industrie bringen.
Eine lange überfällige Entwicklung
OCLC setzt nun also um, was in der Bibliothekswelt schon lange überfällig war. Wieso haben denn Bibliotheken ihr eigenes Lokalsystem, in dem die gleichen Daten vorgehalten werden, die sich auch im Verbundkatalog befinden? Wenn ein Bibliothekskatalog auch einfach als eine Teilmenge des Verbundkatalogs implementiert werden kann? Ich bin erst seit kurzer Zeit im Bibliothekswesen und habe mir diese Fragen schon öfter gestellt. Ein solcher Ansatz wie der OCLCs würde sämtliche Synchronisationsprobleme verschwinden lassen und auch müssten Bibliotheken keine lokale Server- und Softwareinfrastruktur mehr unterstützen. Zudem ergeben sich mit einer gemeinsamen Infrastruktur neue Möglichkeiten der Kooperation. OCLC sagt dazu:
"OCLC's vision is similar to Software as a Service (SaaS) but is distinguished by the cooperative "network effect" of all libraries using the same, shared hardware, services and data, rather than the alternative model of hosting hardware and software on behalf of individual libraries."Unter dem technischen Aspekt ist dies also eine logische und zu begrüßende Entwicklung, die man nur gutheißen kann. Allerdings ergeben sich einige Probleme durch den enormen Machtzuwachs des - ohnehin weltweit mächtigsten - Unternehmens im Bibliothekswesen.
Ein Ausbau des OCLC-Monopols?
So interessant und sinnvoll die Entwicklung ist, nach unseren Erfahrungen mit der versuchten Verordnung einer OCLC-Metadaten-Policy bestehen berechtige Bedenken, dass OCLC versucht, sein (zumindest im angloamerikanischen Raum) de facto Metadaten-Monopol zu nutzen, um auch ein Software-Monopol aufzubauen. Tim Spalding spekulierte schon vor zwei Jahren über solche Absichten OCLCs und warnt auch heute vor einem OCLC-Monopol.
Fakt ist: Wenn die Mitglieder nicht die geplante Metadaten-Policy verhindern oder substantiell ändern, dann wird OCLC auch im Bereich der Bibliothekssysteme übermäßige Macht bekommen. Denn: Mit einer WorldCat-Metadaten-Policy, die verbietet, unter Verwendung von WorldCat-Daten "the function, purpose, and/or size of WorldCat" nachzubilden, kann kein anderer Anbieter ernsthaft in Konkurrenz zu OCLC treten. Es wäre einfach nicht möglich die erforderliche Datenmenge aufzubauen.
Somit macht die von OCLC angekündigte Strategie nur noch deutlicher: Die OCLC-Mitglieder, ja die gesamte bibliothekarische Gemeinschaft müssen für eine WorldCat-Metadaten-Policy kämpfen, welche die WorldCat-Daten unter eine Lizenz stellt, die den freien Zugriff auf diese Daten sowie ihren unbegrenzten Transfer erlaubt. Da das Erstellen der Metadaten zum größten Teil aus öffentlichen Mitteln finanziert wurde, ist diese Forderung ohnehin die einzig konsequente.