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Im Studium zum (wissenschaftlichen) Bibliothekar nimmt die Katalogisierung selbstverständlich einen wichtigen Platz ein. Der Stoff: RAK, AACR, MARC & MAB. Das hört sich nicht nur trocken an... Aber was machen Katalogisierer nun eigentlich? Auf welche Handlungstypen lässt sich diese vergleichsweise streng geregelte Tätigkeit runterbrechen? Ich denke, diese Fragen verdienen einige Aufmerksamkeit, will man verstehen, was Katalogisieren ist. Aus diesem Grund habe ich versucht, diese "Grundoperationen" der Katalogisierung zu sammeln. (Falls ich was Wichtiges vergessen oder etwas nicht richtig dargestellt habe, bitte bellen.)
Bei der Katalogisierung lassen sich folgende sechs Aktionstypen, die ich weiter unten näher erläutern werden, unterscheiden:
- Klassifizieren,
- Normieren,
- Exzerpieren,
- Verknüpfen,
- Ein-/Zuordnen,
- Kooperieren.
In einer Mindmap (mit der Open-Source-Software XMind erstellt, am besten hier im Vollbildmodus anzuschauen) sieht das ganze dann so aus:
Klassifizieren
Beim Klassifizieren handelt es sich um die Voraussetzung bibliothekarischer Inhaltserschließung (d.h., wenn man keine frei Schlagwortvergabe = Tagging zulässt ;-)). Klassifizieren besteht in der Erschaffung eines kontrollierten Vokabulars (einer Klassifikationen oder eines Thesaurus). Den Klassen einer Klassifikation werden in einem nächsten Schritt (vgl. Ein- und Zuordnen) die einzelnen Bücher und andere Medien zugewiesen, die es inhaltlich zu erschließen gilt und sie werden mit Schlagwörtern versehen, die Teil eines Thesaurus sind . In der Bibliothekswelt gilt traditionellerweise: Keine Klassenzuweisung ohne Klassifikation und keine Schlagwortvergabe ohne eine bestimmtes, d.h. vorgegebenes Repertoire möglicher Schlagwörter.
Normieren
Normierung oder Standardisierung geschieht bei der Katalogisierung in Bezug auf die sogenannten Ansetzungsformen. Dies sind die Vorgaben, wie man Entitäten, die über verschiedene Datensätze verteilt immer wieder auftauchen (können), in einen Datensatz einträgt, also Personen und Körperschaften (Institutionen wie Verlage oder Universitäten). Auch die Bestimmung von Schlagwörtern und Klassenbezeichnungen (d.h. die Klassifizierung) ist eine Normierung, der ich aber einen eigenen Punkt zugewiesen habe, weil Bibliothekarinnen dabei einen größeren Gestaltungsspielraum haben. Die Menge und Bezeichnung von Autoren und Körperschaften wird aber eben von außen vorgegeben.
Exzerpieren (&Anpassen)
Die sogenannte "Autopsie" bei der Formalerschließung, d.h. die Übernahme der Angaben von der Titelstelle und anderen Stellen eines Mediums in den Datensatz, ist nichts anderes als ein Exzerpt, eine Kopie von Teilen eines Textes. Darüberhinaus gibt es eben Regeln, welche Angaben einer Normierung (etwa durch eine Normdatei) unterliegen und dementsprechend im Datensatz angepasst werden müssen.
Verknüpfen
Verknüpfen gehört zumindest in Deutschland schon lange zur Katalogisierungspraxis. (Ich glaube im angelsächsischen Raum läuft das anders, ich kenne mich da aber nicht aus.) So werden die Autorenangaben, Schlagwörter und Körperschaften durch Angabe der jeweiligen ID mit ihrem Normdatensatz verknüpft.
Ähnliche und darüber hinausgehende Verknüpfungen sehen auch die noch nicht praktizierten Functional Requirements for Bibliogaphic Records (FRBR) vor. (Wie etwa Anne Christensen kürzlich mit Verweis auf den Horizon-Report geschrieben hat, spielen semantische Anwendungen (und als deren Grundlage semantische Annotationen und Verknüpfungen wie jene auf der Basis von FRBR) in Zukunft eine wichtige Rolle. Eine Umsetzung der FRBR wäre sicher ein Schritt in die richtige Richtung.)
Ein- bzw. Zuordnen
Das Einordnen vollziehen Katalogisierer durch die Einordnung von Katalogisaten in die Klassen einer Klassifikation. Schlagwörter werden einem Katalogisat zugeordnet.
Kooperieren
Ich weiß nicht, wann die Geschichte der kooperativen Katalogisierung begann, in den 70er Jahren wurde diese Praxis in Deutschland mit der Errichtung von Bibliotheksverbünden institutionalisiert. Durch die Möglichkeit maschineller Bearbeitung der Daten mittels Elektronischer Datenverarbeitung (EDV) war eine bequeme und effiziente Vervielfältigung und Nachnutzung der Daten Realität geworden. (Der Transport lief damals allerdings noch nicht elektronisch ab. Zum hbz gehörte lange Jahre ein Fahrzeug plus Fahrer, die für den Transport der Magnetbänder zwischen der Verbundzentrale und den Verbundbibliotheken zuständig war.)
Das Kooperieren fällt hier offensichtlich ein wenig aus dem Rahmen, weil es keine Tätigkeit wie die Vergabe von Schlagwörtern oder dar Erstellen einer Klassifikation ist. Kooperation stellt (idealerweise) den Hintergrund der gesamten Katalogisierung dar und berührt somit alle anderen Aspekte. Und eben weil die Arbeitsteilung und gegenseitige Unterstützung in der Katalogisierung ihren festen Platz hat, halte ich es für wichtig, diesen Aspekt hier auch anzuführen.
Dieses ganze Geblubber von Leuten wie Roland Reuß und auch Volker Rieble gestern wieder auf einer Anti-Google- und Anti-Open-Access-Veranstaltung mit dem Titel "Autorschaft als Werkherrschaft in digitaler Zeit" im Frankfurter Literaturhaus, lässt einen nur ratlos mit der Schulter zucken.
Reuß und Rieble sehen sich offensichtlich als hochgeistige Menschen an, deren Schriftprodukte deswegen auch nur von einem erlauchten Kreis ebenso "intellektueller" Personen gelesen werden sollten. Alles andere würde ihre Werke entwerten. Deshalb müsse ein Autor derartige Kontrolle über sein Werk haben, dass er die Kontexte bestimmen kann, in denen das Werk präsentiert wird.
Zum Hintergrund meiner Interpretation hier einige Originalquellen und Paraphrasen entsprechender Aussagen von Reuß und Rieble.
Am 25.4.2009 schreibt Reuß in der FAZ:
Niemand kann ihm [dem Wissenschaftler, AP] vorschreiben, in welchem Kontext sein Werk erscheint - oder gar diesen Kontext durch das unerlaubte Hochladen einer Arbeit auf irgendeinen Server bestimmen.
Wolfgang Tischer paraphrasiert Reuß' gestrige Ausagen zum Thema wie folgt:
Open Access berge laut Reuß die Gefahr, dass das Werk in einer Art und in einem Umfeld präsentiert werden könnte, wie es der Urheber niemals intendiert habe.
Thierry Chervel fasst Volker Riebles "Gedanken" zusammen:
Er [Volker Rieble] sah sich zum Beispiel als Teil einer Elite und möchte bestimmte seiner Werke nicht ohne seine Zustimmung einem von ihm als unqualifiziert angesehenen Netzpublikum zugeführt sehen.
Passenderweise fügt Thierry Chervel hinzu: "Bei späterer Gelegenheit wird er sicherlich erklären, wie er den Zugang zu Bibliotheken zu regulieren gedenkt." An diesen Gedanken möchte ich anknüpfen und ihn weiterführen. Mich erinnert das Ganze nämlich doch sehr an die einschlägige Schriftkritik in Platons Dialog "Phaidros" (275d), wo es heißt:
Ist sie aber einmal geschrieben, so schweift auch überall jede Rede gleichermaßen unter denen umher, die sie verstehen, und unter denen, für die sie nicht gehört, und versteht nicht, zu wem sie reden soll, und zu wem nicht. Und wird sie beleidiget oder unverdienterweise beschimpft, so bedarf sie immer ihres Vaters Hülfe; denn selbst ist sie weder sich zu schützen noch zu helfen im Stande.
(Übersetzung von Friedrich Schleiermacher, siehe auch den Phaidros im Projekt Gutenberg.)
Die Ansichten Reuß', die Andrea Diener unter dem Schlagwort "Texturheberschaft als Mutterschaft" zusammenfasst, passen doch vorzüglich in diese Weltsicht. Es ist eben die Schrift - und nicht das Internet -, die den Vätern und Müttern die Kontrolle über ihre geistigen Kinder schon lange entzogen hat. Vielleicht sollten Reuß und Co. also mal ihren Gedanken zuendeführen und den radikalen Schluss ziehen: Rettet das Urheberrecht, verbietet die Schrift! Dann würde wenigstens jeder auf Anhieb merken, was da für ein Unsinn geredet wird.
In letzter Zeit sind mir öfter Leute begegnet, die beim Sprechen (und leider auch Schreiben) nicht zwischen Worten und Wörtern unterscheiden. Diese Unwissenheit macht offensichtlich auch vor ProfessorInnen der Bibliotheks- und Informationswissenschaften nicht halt. Das "Deutschlehrermaskottchen" Bastian Sick (so etikettiert von Wiglaf Droste) hat natürlich schon längst die Verhältnisse klargestellt. Ich entblöde mich aber nicht, auch noch meinen Senf dazuzugeben, weil ich die Unterscheidung doch für das Bibliotheks- und Informationswesen als sehr relevant erachte. Damit also diese nützliche Unterscheidung aus unserer Sprache nicht verschwinden mag, hier mein Beitrag zum Erhalt dieser Differenz.
Wörter sind nicht Worte! Wörter kann man zählen, Worte nicht. Wörter sind linguistische Einheiten, in der Schrift durch zwei Leerzeichen von anderen Wörtern getrennt. Worte können Gedanken, Aussprüche, Gedichte oder sogar ganze literarische Werke sein. Kompliziert ausgedrückt: Wenn wir vom Wort 'Gott' sprechen, hat das Wort 'Wort' eine andere Bedeutung, als wenn wir uns über das "Wort Gottes" unterhalten. Ersteres hat den Plural 'Wörter' und letzteres den Plural 'Worte'.
Folglich ist es mindestens unglücklich, im bibliothekarischen Bereich von Schlagworten zu sprechen, wenn man über die Deskriptoren eines kontrollierten Vokabulars spricht, weil diese ein Musterbeispiel für eine abzählbare Menge von Wörtern sind, vergleichbar mit einem Wörterbuch. Und deshalb heißen sie Schlagwörter. Schlagworte, d.h. Slogans, Parolen oder Losungen, hingegen werden von Politikern, Journalisten oder Werbern benutzt. Sie können aus einzelnen Wörtern wie ganzen Phrasen bestehen, in einem Thesaurus sind sie aber nicht zu finden...