2009-07-16

Rettet das Urheberrecht, verbietet die Schrift!

Dieses ganze Geblubber von Leuten wie Roland Reuß und auch Volker Rieble gestern wieder auf einer Anti-Google- und Anti-Open-Access-Veranstaltung mit dem Titel "Autorschaft als Werkherrschaft in digitaler Zeit" im Frankfurter Literaturhaus, lässt einen nur ratlos mit der Schulter zucken.
Reuß und Rieble sehen sich offensichtlich als hochgeistige Menschen an, deren Schriftprodukte deswegen auch nur von einem erlauchten Kreis ebenso "intellektueller" Personen gelesen werden sollten. Alles andere würde ihre Werke entwerten. Deshalb müsse ein Autor derartige Kontrolle über sein Werk haben, dass er die Kontexte bestimmen kann, in denen das Werk präsentiert wird.
Zum Hintergrund meiner Interpretation hier einige Originalquellen und Paraphrasen entsprechender Aussagen von Reuß und Rieble.

Am 25.4.2009
schreibt Reuß in der FAZ:
Niemand kann ihm [dem Wissenschaftler, AP] vorschreiben, in welchem Kontext sein Werk erscheint - oder gar diesen Kontext durch das unerlaubte Hochladen einer Arbeit auf irgendeinen Server bestimmen.
Wolfgang Tischer paraphrasiert Reuß' gestrige Ausagen zum Thema wie folgt:
Open Access berge laut Reuß die Gefahr, dass das Werk in einer Art und in einem Umfeld präsentiert werden könnte, wie es der Urheber niemals intendiert habe.
Thierry Chervel fasst Volker Riebles "Gedanken" zusammen:

Er [Volker Rieble] sah sich zum Beispiel als Teil einer Elite und möchte bestimmte seiner Werke nicht ohne seine Zustimmung einem von ihm als unqualifiziert angesehenen Netzpublikum zugeführt sehen.
Passenderweise fügt Thierry Chervel hinzu: "Bei späterer Gelegenheit wird er sicherlich erklären, wie er den Zugang zu Bibliotheken zu regulieren gedenkt." An diesen Gedanken möchte ich anknüpfen und ihn weiterführen. Mich erinnert das Ganze nämlich doch sehr an die einschlägige Schriftkritik in Platons Dialog "Phaidros" (275d), wo es heißt:

Ist sie aber einmal geschrieben, so schweift auch überall jede Rede gleichermaßen unter denen umher, die sie verstehen, und unter denen, für die sie nicht gehört, und versteht nicht, zu wem sie reden soll, und zu wem nicht. Und wird sie beleidiget oder unverdienterweise beschimpft, so bedarf sie immer ihres Vaters Hülfe; denn selbst ist sie weder sich zu schützen noch zu helfen im Stande.
(Übersetzung von Friedrich Schleiermacher, siehe auch den Phaidros im Projekt Gutenberg.)

Die Ansichten Reuß', die Andrea Diener unter dem Schlagwort "Texturheberschaft als Mutterschaft" zusammenfasst, passen doch vorzüglich in diese Weltsicht. Es ist eben die Schrift - und nicht das Internet -, die den Vätern und Müttern die Kontrolle über ihre geistigen Kinder schon lange entzogen hat. Vielleicht sollten Reuß und Co. also mal ihren Gedanken zuendeführen und den radikalen Schluss ziehen: Rettet das Urheberrecht, verbietet die Schrift! Dann würde wenigstens jeder auf Anhieb merken, was da für ein Unsinn geredet wird.

2 Kommentare:

sign.ag hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Anonym hat gesagt…

Die Diskussion um eine posturheberrechtliche Zukunft finde ich insgesamt ziemlich daben. Es geht doch nicht darum welche Leute die Texte irgendwelcher Leute lesen dürfen!
Ebensowenig geht es darum, dass die "Verwendung" von "Ideen" anderer verboten wäre oder sein soll!
Es kann lediglich so ganz und gar nicht sein, dass jemand daherkommt und einen Text KOPIERT und diesen dann als SEINE IDEEN verkauft.
Mir geht es dabei eher nicht um die Debatten über gekränkte Autoren - ich finde sowas ist Betrug am LESER!
Denn wenn ich mich für etwas (Text/Werk etc.) einer bestimmten Person interessiere, dann möchte ich dass es es die Ideen, Gedanken, Träume was auch immer DIESER entsprechenden Person sind, und nicht die aufgewärmte Suppe irgendwelcher Mitläufer.
Das hat nichts mit "elitär" zu tun sondern mit Authentizität und ACHTUNG. Aber Wörter wie Respekt und Achtung kennen wahrscheinlich nur noch wenige von den Digital Natives.

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